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E wie Enttäuschung oder E wie Entlastung? – So kommt das E-Rezept bei Ärzten und Apothekern an

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Ein Kunde nutzt in einer Apotheke die offizielle E-Rezept-App, installiert auf seinem Smartphone, um sein verschriebenes Medikament zu bekommen.
Ein Kunde nutzt in einer Apotheke die offizielle E-Rezept-App, installiert auf seinem Smartphone, um sein verschriebenes Medikament zu bekommen. © dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Das Bundesgesundheits-Ministerium lobte es als große Erleichterung. Ärzte und Apotheker fürchteten ein Chaos. Seit 1. Januar 2024 gibt es verschreibungspflichtige Medikamente (eigentlich) nur noch per E-Rezept. Das sind die ersten Erfahrungen.

Bad Aibling/Kolbermoor/Bruckmühl/Feldkirchen-Westerham – Es soll Wege ersparen, Wartezeiten verringern und die Sicherheit für Patienten erhöhen: seit 1. Januar 2024 ist in Deutschland die Nutzung des sogenannten E-Rezepts für verschreibungspflichtige Medikamente verpflichtend. Das Bundesgesundheitsministerium rechnet mit zahlreichen Vorteilen durch das E-Rezept, das in der sogenannten Telematikinfrastruktur, der digitalen Plattform des Gesundheitswesens, seitens der Arztpraxis gespeichert wird und dann per Gesundheitskarte oder via App abgerufen werden kann. So können beispielsweise Folgerezepte ohne weiteren Arztbesuch ausgestellt, mögliche Wechselwirkungen verschiedener Medikamente schneller erkannt werden. Klingt gut – doch sind die Erfahrungen bei Ärzten und Apothekern im Mangfalltal ebenfalls positiv? Das OVB hat nachgefragt.

Apotheker Matthias Gries, Inhaber der Marien-Apotheke am Bad Aiblinger Marienplatz, hat vermutlich an Silvester mit gemischten Gefühlen aufs neue Jahr geblickt – und insbesondere auf die Einführung des E-Rezepts. „Ich bin ehrlich gesagt nicht so der EDV-Profi und habe befürchtet, dass das E-Rezept mein Ende wird“, sagt Gries und lacht. Doch ganz so dramatisch ist es für den Apotheker dann doch nicht gekommen, wie er auf OVB-Anfrage verrät: „Ich habe es mir schlimmer vorgestellt.“

Aus seiner Sicht das größte Manko: Eine unzureichende Information der Verbraucher durch die Krankenkassen. „Vielen Kunden ist gar nicht klar, wie das jetzt genau funktioniert“, sagt der Apotheker und schildert ein Beispiel: „Da kommen Kunden und sagen, dass für sie ein Rezept vorliegen müsste. Dass sie dazu die Gesundheitskarte, die sie aber gerade nicht dabei haben, benötigen, hat ihnen aber niemand gesagt.“ Zwar gebe es weitere kleinere Schwachstellen wie ein erhöhter Überprüfungsbedarf durch das Apotheken-Personal oder weniger Flexibilität bei nicht lieferbaren Medikamenten. Der Bad Aiblinger Apotheker glaubt aber, dass diese in den kommenden Monaten behoben werden können.

Aktuell findet Gries, dass derzeit allerdings das ausgedruckte E-Rezept der sicherste Weg sei, um schnell ans Medikament zu kommen. Zum einen liefe der Kunden dadurch nicht Gefahr, in der Apotheke zu sein, bevor das Rezept vom Arzt freigeschaltet worden ist. Zum anderen habe der Patient auf dem Ausdruck die Möglichkeit, die verschriebenen Medikamente zu überprüfen. Gries: „Ich hatte einen Fall, bei dem eine Patientin insgesamt vier Mal kommen musste, bis alles gestimmt hat.“

Vom Verschreiben bis zum Einlösen: So funktioniert das E-Rezept

Verschreibt ein Arzt einem Patienten ein Rezept, dann werden die Daten dazu in der sogenannten Telematikinfrastruktur (TI), der Plattform des deutschen Gesundheitswesens, gespeichert. Der Patient hat dann verschiedene Möglichkeiten, das Rezept in der Apotheke einzulösen, sobald es seitens des Arztes freigegeben worden ist. So reicht es aus, in der Apotheke die Gesundheitskarte, umgangssprachlich die Krankenkassenkarte, vorzulegen. Über ein Lesegerät kann die Apotheke dann das Rezept abrufen. Die zweite Möglichkeit für Patienten ist, seine Rezepte selbst über die sogenannte E-Rezept-App (kostenlos erhältlich im Apple-App-Store, im Google-Play-Store und in der Huawai-App-Gallery) abzurufen und zu verwalten. Das E-Rezept kann dann auf dem Smartphone vorgezeigt und in der Apotheke gescannt werden. Zudem gibt es weiterhin eine Papiervariante, die Patienten in der Arztpraxis anfordern können, um damit dann die Medikamente in der Apotheke zu holen. Die Papiervariante ist im Vergleich zu ihrer Vorgängerin nicht mehr rosafarben und ist auch ohne Unterschrift gültig. Weitere Infos rund ums E-Rezept gibt es auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums.

Probleme, die auch Reinhard Eisenhammer, Chef der Markt-Apotheke Bruckmühl, zur Genüge kennt. „Das E-Rezept wäre ein super Ding“, sagt der Apotheker, schiebt aber gleich hinterher. „Wenn‘s denn läuft.“ Die Erfolgsquote liegt seiner Einschätzung nach derzeit bei gerade einmal 50 Prozent. Und die andere Hälfte? Die beschere ihm jede Menge Mehrarbeit, wie Eisenhammer betont. Sei‘s, weil Rezepte falsch ausgestellt worden sind, von den Patienten aber nicht kontrolliert werden können. Sei‘s, weil die Kunden nicht darüber informiert sind, dass die Freischaltung einige Zeit dauern kann und er dadurch zahlreichen Kunden Medikamente und Gesundheitskarten per Auto hin- und herfahre. „Normalerweise muss ich einmal im Monat tanken“, erzählt der Bruckmühler Apotheker. „Im Januar waren es aufgrund dieser Fahrten drei Tankfüllungen.“ Derzeit könne er den Patienten daher nur raten, sich das E-Rezept in der Arztpraxis als Ausdruck mitgeben zu lassen: „Dann funktioniert‘s nämlich ohne Probleme.“

Hat die Politik ein Versprechen nicht eingelöst?

Viel mehr, als der Mehraufwand, den er aufgrund des E-Rezepts derzeit hat, ärgert Eisenhammer, dass ein Versprechen, das die Politik gegeben habe, nicht eingelöst worden sei. „Uns wurde damals gesagt, dass wir damit Einsicht in den Medikamentenplan des Kunden bekommen würden, was eine super Sache gewesen wäre“, sagt der Apotheken-Inhaber. Denn dadurch hätte das Personal die Möglichkeit gehabt, den Kunden beispielsweise auf mögliche Wechselwirkungen verschiedener Medikamente hinzuweisen, damit Nebenwirkungen zu reduzieren und Unverträglichkeiten im Vorfeld auszuschließen. „Das hätte dem Patienten wirklich geholfen und uns Apotheken gestärkt, weil es das ist, was wir ja im Studium gelernt haben“, so Eisenhammer.

Aussagen, die Monika Mayer, Chefin der Wendelstein-Apotheke in Kolbermoor, nur bestätigen kann. Sie hält das E-Rezept, „wenn es denn einwandfrei läuft“, für ein großes Plus für Ärzte, Apotheken und Patienten. Was in Österreich, das seit Jahren ein derartiges System hat, beispielsweise während der Corona-Pandemie bewiesen worden sei. „Die haben uns während der Pandemie ausgelacht“, sagt Mayer. Denn während in Deutschland diskutiert worden sei, wie Patienten trotz des Aufrufs, daheim zu bleiben, zu ihren Rezepten kämen, seien im Nachbarland die Medikamente bereits digital verordnet worden.

Mayer hofft nun, dass in den kommenden Wochen und Monaten die „Kinderkrankheiten“ in puncto E-Rezept, die aktuell noch bestünden, ausgemerzt werden und dann die Vorteile komplett zum Tragen kämen. Dazu müssten laut Mayer aber auch die Ärzte beitragen. So sei derzeit die Freigabe der E-Rezepte noch ein großes Problem. Denn der Arzt könne das Rezept sofort freigeben, was den Vorteil hat, dass das Rezept auch sofort in der Apotheke eingelöst werden kann. „Es gibt aber auch Ärzte, die mehrere Rezepte erst per Stapelsignatur freigeben“, weiß die Apothekerin. Die Folge: Der Kunde stehe in der Apotheke, das Rezept sei aber noch nicht im System sichtbar.

Patienten kommen auch noch mit dem rosafarbenen Rezept in die Apotheke

Wobei Mayer auch verrät, das längst nicht jedes Rezept, das sie aktuell bearbeitet, auch wirklich ein E-Rezept ist – auch wenn das laut Bundesgesundheitsministerium seit 1. Januar 2024 eigentlich Pflicht ist. „Wir bekommen immer noch teilweise die alten, rosafarbenen Rezepte“, erzählt die Apothekerin, die selbst drei Arztpraxen in der Region kennt, „die nicht auf das E-Rezept umstellen“. Dass das überhaupt möglich sei, könne sie sich nur dadurch erklären, dass „der Druck auf die Arztpraxen nicht groß genug“ sei und die „starke Ärztelobby“ ihren Einfluss geltend mache.

Es ist also eine durchwachsene Bilanz, die die Apotheken in der Region nach rund einem Monat E-Rezept ziehen. Und wie sieht es bei den Ärzten aus, die ja mit der Ausstellung des E-Rezepts den ersten Schritt machen? „Im Großen und Ganzen funktioniert das sehr gut“, sagt die Arzthelferin einer Hausarztpraxis in Feldkirchen-Westerham. „Wir haben auch von unseren Patienten noch kaum Beschwerden gehört.“ Allerdings sei manchmal ein bisschen Geduld gefragt, wenn beispielsweise das System eine Fehlermeldung ausspucke oder das Internet streike. „Zudem weisen wir die Patienten darauf hin, dass sie erst am Folgetag in die Apotheke gehen, da es manchmal ein bisschen braucht, bis das E-Rezept abrufbar ist“, sagt die Arzthelferin, die dennoch eine klares Fazit zieht: „Uns erleichtert das die Arbeit schon ein bisschen.“

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