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Lehr - Frachtschiff  "J. G. Fichte"

"J. G. Fichte" Überseehafen Rostock
Matrosenlehrling Joachim Krull (rechts)
Meine Lehrausbildung bei der Deutschen Seereederei auf dem Lehr- und Frachtschiff MS "J.G.Fichte" DCZK 1963 - 1965 

14. August 1963, Überseehafen Rostock: Wie war das damals, wie war die Lehrlingsausbildung, wie waren wir gekleidet, wie waren die Schiffe , wie waren unser Lehrer usw. Wenn es euch nichts ausmacht. würde ich Euch gerne über meine, schon vor langer Zeit niedergeschriebenen Eindrücke über den Beginn meiner Lehrzeit bei der DSR berichten.

Heute sollte meine Ausbildung bei der Deutschen Seereederei beginnen. Knapp 16 Jahre alt, wurde ich natürlich  noch von meinen Eltern begleitet. Damals war es noch etwas komplizierter den Überseeehafen von Sassnitz aus zu erreichen. Mit dem Personenzug bis Stralsund, dort umsteigen und weiter nach Rostock. Am Rostocker Hauptbahnhof angekommen ging es mit der Strassenbahn bis Gehlsdorf, dann umsteigen in einen Bus, der uns dann zum Überseehafen Rostock brachte. Durch Pass- und Zollkontrolle weiter zu Fuss zum Liegeplatz im B-Becken des Überseehafens.

Irgendwie war mir sehr mulmig, was mich dort wohl erwartete. Ich hatte keine Ahnung, wollte ich doch ursprünglich Musik studieren. Warum das nichts wurde ist eine andere Geschichte .Durch die vielen Bewerbungen und den dann folgenden Absagen der Musikschulen verging eine Menge Zeit, um nicht zu sagen es war 5 Minuten vor 12, denn ich befand mich bereits im 2. Halbjahr der 10. Klasse und hatte noch keinen Ausbildungsvertrag. Meinem Vater verliessen so langsam die Nerven und so brachte er mir eines Tages kurzentschlossen einen Lehrvertrag des Fischkombinates Sassnitz mit in dem ich mich verpflichten sollte den Beruf eines Hochseefischers zu erlernen, was ich natürlich rundweg ablehnte. Ich bin mit Fischern aufgewachsen und kannte die Spezifik des Berufes. Nein, dass war nichts für Otto Krulls Sohn. Ich hätte nie einen Fisch töten können geschweige  denselben noch auszunehmen und zu verarbeiten, Durch einen Klassenkameraden wurde ich dann auf die Idee gebracht  gemeinsam mit ihm zur Handelsmarine zu gehen. Es erschien mir auch die für mich einzige machbare Variante. So bewarb ich mich im Februar 1963 bei der DSR.

Der Werdegang:

Der Vater dieses Klassenkameraden, Kapitän auf einem Fährschiff der DR war, hatte gute Beziehungen zur Deutschen Seereederei und sorgte dafür, dass sein Sohn und ich einen kurzfristigen Termin für ein Eignungsgespräch im neu gebauten "Haus der Schifffahrt" erhielten und ließ uns auch durch den Fahrer seines Dienstwagens nach Rostock bringen und natürlich auch wieder zurück. Meine Intention war, die Lehrausbildung zu absolvieren und danach noch einmal den Anlauf für ein Musikstudium zu nehmen. Es sollte allerdings alles ganz anders kommen. Also im Überseehafen angekommen, standen wir vor einem sehr imposanten Schiff, halb Fracht- und halb Passagierschiff. In großen weissen Buchstaben stand der Name J.G. Fichte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung wer oder was J.G. Fichte war. Vielmehr beschlich mich immer rascher eine eigenartige Beklemmung, die wohl damit zu tun hatte, dass ich keine Vorstellung davon hatte, was mich auf so einem Schiff erwartete.

Zwar bin ich an der Küste aufgewachsen und war während meiner Schulzeit neben meiner musikalischen Ausbildung unter anderem in einem Zirkel "Junger Matrosen". Hier lernten wir schon einige maritime Dinge wie Knoten, Flaggen winken, eine Barkasse ordentlich festmachen usw. Die Seefahrt für mich als Beruf fand ich damals eher absurd. Nun also Mut gefasst und mit Vater und Mutter die Gangway empor und an Bord gegangen. Gleich wurden wir mal von unseren Lieben getrennt, denn wir, die Neuen oder "Einjährigen", wie man uns aus der Sicht des 2. Lehrjahres bezeichnete, sollten nun zünftig eingekleidet werden. Wohl hatte ich schon gehört, dass die "Zweijährigen" sich einen Spass draus machten die Neuankömmlinge zu foppen aber da wurde bei mir nichts draus, schließlich war ich ja ein Junge von der Insel Rügen. Also alle Neuankömmlinge in die Lehrlingsmesse zum Einkleiden. Hier lauerte bereits die erste "Falle". Jeder bekam einen Seesack, in den er rein steigen musste,um zu sehen ob der entsprechende Seesack auch zu seinem zukünftigen Besitzer passt. Brav stieg ich natürlich auch in den Sack und merkte zunächst gar nicht, dass ich schon in die erste "Falle" getappt war.

Dann erfolgte die Einkleidung. Das ganze Prozedere lief ab wie bei der Marine aber anders ist es sicher auch nicht möglich, schließlich bekamen wir eine Menge Ausrüstung, die auch alle in den Seesack und später in einen sehr schmalen Metallspind passen mussten. Am Ende der Einkleidung befanden sich: - 1 Bordpäckchen weiß - 1 Bordpäckchen blau - 1 Bänder Mütze mit der Aufschrift "Deutsche Seereederei" (gestickt) sowie einen blauen und einen weissen Mützenbezug - 1 Uniformhose blau - 1 Kieler Bluse weiss 1 Kieler Bluse weiss - 1 Kieler Bluse blau mit Kragen - 1 Khaki Hemd kurzärmlig - 1 Khaki Hose - 1 Paar Bordschuhe in meinem Seesack. Nach der Einkleidung erfolgte dann die Einteilung der Klassen für den theoretischen Unterricht und die Einteilung der Brigaden für die praktische Arbeit sowie die Zuteilung der Kammern. Meine Kammer war mit noch drei anderen Lehrlingen im E-Deck Vorschiff, steuerbord Seite. Die Nummer ist mir inzwischen entfallen. Inzwischen wurden auch die Eltern informiert, wie sich die Ausbildung und das Leben ihrer Sprösslinge in den nächsten 2 Jahren gestalten sollte.

Unser Schiff wurde im Cubadienst eingesetzt und sollte von Rostock aus die kubanischen Häfen Havanna, Matanzas und Nuevitas bedienen. Nach einer Woche des Eingewöhnens und des Kennenlernens des Schiffes, lief das MS "J.G.Fichte" am 21.August 1963 mit ca. 180 Lehrlingen einer Stammbesatzung und Offiziersschülern der Seefahrtsschule Wustrow zu meiner ersten Seereise aus. Ich hatte keine Ahnung was mich in den nächsten zwei Jahren alles erwarten sollte. Wie es sich gehört, für ein Ausbildungsschiff der Handelsmarine, hat die Besatzung an der Backbordseite des Schiffes Aufstellung genommen, um sich von der Heimat für ca 3 Monate zu verabschieden.

Danke für diesen Bericht an Joachim Krull !


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