65 Jahre Insektenjagd

Das Erfolgsgeheimnis der Fliegenklatsche

Fliegenklatsche
Bei einer Fliegenklatsche merkt das Insekt viel zu spät, dass Gefahr kommt. © picture alliance/dpa/Foto: Interfoto
Christian Schweizer im Gespräch mit Stephan Karkowsky  · 25.07.2018
Klatsch! Das war`s. Die Fliegen merken keinen Luftzug, wenn man sich ihnen mit der Plastikklatsche nähert, lobt der Stadthistoriker Christian Schweizer die Erfindung. Und das hat einen bestimmen Grund.
Auch 65 Jahre nach der Erfindung der Fliegenklatsche aus Plastik ist der Stadthistoriker Christian Schweizer von ihrer Qualität überzeugt. Sie wurde einst vom schwäbischen Tüftler und Unternehmer, Erich Schumm, erfunden, der zu Lebzeiten rund tausend Patente anmeldete, sagte der Leiter des Carl-Schweizer-Museums von Murrhardt im Deutschlandfunk Kultur. "Also die Fliegenklatsche kommt noch nicht in die Pension, im Gegenteil: ich glaube, die Zukunft steht der Fliegenklatsche erst noch bevor", sagte Schweizer über die " Muggebatscher" oder "Muggedätscher" wie sie in der Heimat des Erfinders genannt wird.

Kein Mordinstrument

Sie sei keineswegs ein Mordinstrument, sagte Schweizer. "Sie können damit auch die Fliege nur verjagen - also das Clevere ist die vielseitige Anwendung insofern, dass sie eine spezielle Struktur der Fläche hat und vor allen Dingen eben die Fliege eigentlich es viel zu spät bemerkt, dass Gefahr kommt, also kein Luftzug und so."

Unseren Moderator, den Tierfreund Stephan Karkowsky konnte er damit dennoch nicht völlig überzeugen. Er hielt einen anderen Rat im Umgang mit dem Getier bereit: "Für alle die, die was anderes verwenden wollen, also ich mache es wirklich immer so, die Fliege fangen in einem Glas, nach draußen setzen, dann überlebt sie." (gem)

Das Interview im Wortlaut:

Stephan Karkowsky: Ich muss es ganz ehrlich zugeben: Als Tierfreund tut es mir in der Seele weh, Ihnen heute vom Jubiläum eines Mordinstrumentes berichten zu müssen, das vermutlich schon Millionen an Stubenfliegen das Leben gekostet hat. Heute vor 65 Jahren wurde die Fliegenklatsche aus Plastik zum Patent angemeldet. Alles darüber weiß Christian Schweizer. Er leitet das Carl-Schweizer-Museum und ist Stadthistoriker der Kleinstadt Murrhardt im Schwäbisch-Fränkischen Wald. Herr Schweizer, guten Morgen!
Christian Schweizer: Guten Morgen, Herr Karkowsky!
Karkowsky: Und damit haben wir schon verraten, wo die Fliegenklatsche erfunden wurde, in Murrhardt, aber wer war ihr Erfinder?
Schweizer: Der Erich Schumm, ein typisch schwäbischer Tüftele, wie wir sagen, Tüftler, ein Erfinder und Unternehmer, der für über tausend Patente berühmt ist.
Karkowsky: Womit hat man sich denn vor dieser Erfindung der Fliegen und Mücken erwehrt, die im ländlichen Schwaben vermutlich vor 65 Jahren ja noch viel zahlreicher waren als heute, nach dem Insektensterben?
Schweizer: Das ist natürlich jetzt so eine Frage kulturgeschichtlich, da kann man sehr weit zurückgehen. Ich denke, mit Lappen oder mit Lederstreifen oder vor allen Dingen, es gibt was ganz Tückisches, auch mit gläsernen Fallen. Da hat man eine süße Flüssigkeit hinein, dann sind die Fliegen hineingeklettert, aber nicht mehr herausgekommen.

Vielseitige Anwendung

Karkowsky: Und was ist der Clou, das Clevere an dieser Erfindung der Fliegenklatsche?
Schweizer: Ja nun, Sie haben das als Mordinstrument bezeichnet. Sie können damit auch die Fliege nur verjagen. Also das Clevere ist die vielseitige Anwendung insofern, dass sie eine spezielle Struktur der Fläche hat und vor allen Dingen eben die Fliege eigentlich es viel zu spät bemerkt, dass Gefahr kommt, also kein Luftzug und so.
Karkowsky: Und das liegt daran, dass die Fliegenklatsche halt – Sie haben die Struktur erwähnt – eben nicht aus einem flachen geschlossenen Blatt besteht, sondern aus einem Blatt mit vielen, vielen Löchern, durch die die Luft durchentweichen kann.
Eine Seidengoldfliege - sie zählt zu den Schmeißfliegen.
In der Natur fehlen vielerorts inzwischen die Insekten - hier eine Seidengoldfliege aus der Familie der Schmeißfliegen. © imago stock&people
Schweizer: Genau. das ist eine spezielle Gitterstruktur, und die Stege drauf, die sind auch noch keilförmig. Das heißt, das Ganze zerplättet, zermatscht das Insekt nicht so, und insofern ist es recht praktisch. Vor allen Dingen ist so eine Fliegenklatsche ja auch sehr leicht im Gegensatz zu vielleicht anderen Gegenständen, also ganz angenehm handhabbar.
Karkowsky: Und Sie hat ein Gelenk zwischen dem Stil und der eigentlichen Schlagfläche, damit, wenn man mal richtig draufhaut, das Ding nicht abbricht. Weiß man denn eigentlich, wie Erich Schumm, der Erfinder, auf die Idee kam?
Schweizer: Ja, also da gibt es natürlich die eine oder andere Geschichte. Sein Büro befand sich unweit von einem Bach hier, von einem Bachlauf. Da hat es sicher ziemlich viel Mücken gehabt, und da in der Wirtschaftswunderzeit auch viele solche Erfindungen kamen, gerade aus Plastik, na ja, vielleicht ist schon mal so eine Fliege eben ungünstig auf dem Schreibtisch gesessen, und er hat überlegt, was tu ich.

Muggebatscher oder Muggedätscher

Karkowsky: Und da hat er die Fliegenklatsche erfunden. Er hat sie aber, glaube ich, anders genannt. Er hat das in Mundart ausgesprochen, oder?
Schweizer: Das ist bei uns so üblich. Also ein Muggebatscher, das ist so das Wort. Man kann natürlich auch Muggedätscher oder im Pfälzischen Badischen eine Mikkeplätsch dazu sagen. Da gibt es unzählig viele Varianten.
Karkowsky: Muggebatscher finde ich gut. Sie zeigen ja die Originalfliegenklatsche, also wirklich die allererste, 65 Jahre alt, im Privatmuseum für den Erfinder Erich Schumm in Murrhardt. Wie sieht es da aus, was sieht man da noch alles?
Schweizer: Also diese Schumm-Sammlung befindet sich im Schumm-Stift, denn aus Schumms Erfindungen ging eine Seniorenstiftung hervor. Das ist außerhalb von unserem Museum. Wir kümmern uns da kollegial drum und mit der Stadtgeschichte. Ich mache da auch Führungen. Und da kann man so eine Urfliegenklatsche sehen. Ob das jetzt die eigentliche Urklatsche ist oder eine zweite oder dritte Generation, das wissen wir … kann man nicht mehr so richtig feststellen.
Mehrere Fliegenklatschen liegen auf einem Tisch. Mit Anmeldung der Plastikklatsche beim Deutschen Patentamt vor 65 Jahren sind die Überlebenschancen von Fliegen, Mücken und Co. rapide geschrumpft. Foto: Fabian Sommer/dpa | Verwendung weltweit
Auch nach 65 Jahren ist das Design der Fliegenklatsche unverändert.© Foto: Fabian Sommer/dpa
Karkowsky: Und es ist nicht das Einzige, was da gezeigt wird, weil Schumm, wie Sie gesagt haben, über tausend Patente angemeldet hat. Was sieht man denn noch?
Schweizer: Also typisch schwäbisch: sparsame Dinge, günstig in der Herstellung, günstig für den Käufer. Das ist so Schumms Idee, und vor allen Dingen das Esbit und alles, was mit Esbit zu tun hat, dieser weiße Brennstoff. Man nennt das ja Erich-Schumm-Brennstoff in Tablettenform, also Esbit, und das kennen die Camper, das kennen Leute aus dem Spielwarenbereich. Das kennt man aber auch aus dem Bereich des Militärs und des Katastrophenschutz. Gerade in Berlin hat man mal hunderttausende von Packungen als Senatsreserve, als Energieträger beschafft in schlechten Zeiten.

Das Vermögen floss in eine Seniorenstiftung

Karkowsky: Wie ist es denn mit Erich Schumm weitergegangen, nachdem er die Fliegenklatsche erfunden hatte? Hat ihn diese Erfindung reicht gemacht?
Schweizer: Ja, das ist immer so eine Sache. Erich Schumm hat sehr viele dieser Erfindungen zwar gemacht, aber mit der Vermarktung. Er war ja eigentlich Werbegrafiker, hat dann schöne Verpackungen noch dazu entworfen, aber oftmals sind die Patente ausgelaufen und werden dann heute von anderen hergestellt. Leider gibt es den Betrieb nicht mehr. Wie gesagt, das ganze Vermögen Schumms – und das war dann schon einiges –, das ging in eine soziale Stiftung, und das ist heute die Schumm-Stiftung in Murrhardt, eine Senioreneinrichtung und sehr wichtige Einrichtung in unserer Stadt.
Karkowsky: Ist denn heute in der Sammlung Schumm ein besonderer Tag? Mittlerweile wird ja Ihr Museum in vierter Generation geführt. Erinnert man da an diesen Tag, an das Jubiläum, die Erfindung vor 65 Jahren?
Schweizer: Ja, das ist eher, sage ich mal, so als normaler Tag abzuhaken. Wir haben zwar da in der örtlichen Zeitung oder in der regionalen Zeitung das eine oder andere. Dass hier eine Geburtstagsfeier jetzt stattfindet, wüsste ich nicht. 65. Geburtstag, also die Fliegenklatsche kommt noch nicht in die Pension, im Gegenteil: ich glaube, die Zukunft steht der Fliegenklatsche erst noch bevor.
Karkowsky: Na gut! Das war Christian Schweizer, Leiter des Carl-Schweizer-Museum und ist Stadthistoriker in der Kleinstadt Murrhardt im Schwäbisch-Fränkischen Wald und hat uns berichtet über 65 Jahre Muggebatscher. Herr Schweizer, herzlichen Dank!
Schweizer: Danke!
Karkowsky: Für alle die, die was anderes verwenden wollen, also ich mache es wirklich immer so, die Fliege fangen in einem Glas, nach draußen setzen, dann überlebt sie.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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