Nacktyoga

Gegrätschte stehende Vorbeuge: Yoga ist Entspannung mit dem Nebeneffekt eines Workouts. Bei Model Luba Shumeyko sieht das alles ganz einfach aus.
Sich entspannen, Körper und Geist in Einklang bringen: Das kann Yoga. Es kann auch aufregen: Nacktyoga, das zunächst nur in der amerikanischen Schwulenszene praktiziert wurde, ist in Europa angekommen.

Jeden Morgen grüßt die Kollegin die Sonne. Jetzt kann sie sich gar nicht beruhigen: „Yoga – nackt? Geh bitte, was soll denn das?“ Und die andere, die ihren knackigen Popo regelmäßigen Besuchen in der Yogastunde verdankt, assistiert: „Na wirklich nicht. Nie im Leben würde ich mich vor anderen so hinstellen. Außerdem wird mir nach anstrengenden Ashtanga-Übungen in den Ruhepausen so kalt, dass ich sogar froh bin, wenn ich mir ein langärmeliges Leiberl und Socken anziehen kann.“

Bedenken hin oder her – Tatsache ist: Nacktyoga ist ein Trend, der sich ausbreitet. Und der, entstanden in den USA, in Europa angekommen ist. Einen Beitrag dazu leistete der norwegische Fotograf Petter Hegre. Er lichtete seine Ehefrau ab, das aus der Ukraine stammende Model Luba Shumeyko, um anhand ihres Körpers zu demonstrieren, bei welcher Stellung welche Muskeln wie arbeiten.

Ästhetische Positionen mit einem perfekten Körper, der auch Unsportliche auf sportliche Yoga-Gedanken zu bringen vermag. Begonnen hat Nacktyoga allerdings als reine Männersache. Einer der ersten, der es propagierte, war der Amerikaner Aaron Stone. Männer mit unterschiedlichstem Körperbau und mehr oder weniger dichter Körperbehaarung entspannten sich gemeinsam und nackt im Yogastudio – allein oder bei Partnerübungen. Mit viel Gekicher, die sexuelle Komponente blieb dabei ausgespart, beteuert Aaron Stone. Allerdings, so versichern sowohl er als auch begeisterte Teilnehmer, gelinge es nackt viel besser, seinen eigenen Körper und den der anderen, auch wenn er nicht makellos ist, anzunehmen.

Axel Dinse ist Yogalehrer in Wien und hat die textilfreie Variante schon vor der Jahrtausendwende in New York kennengelernt. „Damals hat das als Schwulenyoga begonnen. Das ist jetzt nicht mehr so.“ Er erklärt, was den Reiz des Nacktyogas ausmachen könnte: „Yoga ist der Versuch, Körper und Geist in Einklang zu bringen.“ Atmung und Bewegung müssen harmonieren. „Ist man dabei nackt, kann es eine Möglichkeit sein, Blockaden und bestehende Vorurteile loszuwerden, sich von Äußerlichkeiten zu verabschieden“, sagt er. Und da man sich beim Yoga ohnehin vor allem auf sich selbst konzentriere, sollte die Umgebung eigentlich nicht ablenken. Ihm ist aber auch klar, dass dies alles leichter gesagt als getan ist. „Dass Yoga bedeutet, etwas nur für sich zu tun, das ist die Theorie. Aus den Stunden weiß ich, dass man natürlich trotzdem in Konkurrenz mit den anderen tritt. Das macht jeder.“

Wenn schon nackt, dann hält Dinse allerdings nicht alle Arten des Yogas für geeignet. „Ashtanga, das eher dynamisch ist, funktioniert nackt vielleicht nicht so gut. Das ist schon sehr körperbetont, da wackelt alles.“ Aber wer weiß. Schließlich kommt Nacktyoga ja aus den an sich prüden USA, wo die Menschen gern mit Badehose in der Sauna sitzen. Und in Österreich gibt es seit der Zwischenkriegszeit die Tradition der Freikörperkultur. Die Nackten in der Lobau trotzen immer noch unverdrossen beim hüllenlosen Volleyballspielen der Schwer- und der Fliehkraft. Ach ja, die Kollegin hat gestern Früh ihre Sonnengrüße einmal anders probiert. Daheim, für sich allein – und nackt. Wie es war? „Wie schon, eh wie immer.“ Na also.

Yoga ist esoterisch und vor allem Frauensache? Stimmt nicht oder nicht mehr, sagt Yogalehrer Axel Dinse. Er konstatiert einen Wandel zu mehr Erdung. „Das ist wie bei den Kunden im Bioladen. Da tragen auch längst nicht mehr alle Birkenstockschlapfen.“ Das Schöne am Yoga: Jeder kann damit beginnen. „Das funktioniert auch bei 60-Jährigen, die schon lang keinen Sport mehr getrieben haben und steif wie ein Stück Holz sind, wenn sie damit beginnen.“ Praktisch: Wer sich in einem Studio die Grundbegriffe angeeignet hat, dem reicht eine Yogamatte für daheim und schon kann man loslegen. Egal, ob nackt oder angezogen.


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